Interview mit Dr. Jurij Benn, Rechtsanwalt
Dr. Jurij Benn arbeitet als Rechtsanwalt in Zürich. Er hat sich berufsbegleitend zum dipl. Steuerexperten weitergebildet und berät Klienten hauptsächlich im Bereiche des Erb- und Steuerrechts.
In der Schweiz ist es schwierig, über das Vererben zu sprechen. Weshalb?
Es liegt wohl an der Mentalität der Schweizer, ungern über Geld zu sprechen. Allenfalls hat man es, aber man spricht nicht davon. Diese Tendenz zur Verschlossenheit nimmt im Alter gewöhnlich noch zu.
Wie viele Schweizer erstellen in der Schweiz ein Testament?
Das Zivilgesetzbuch sieht eine Erbfolgeordnung vor, welche die Gleichheit der Erben hochhält und dem überlebenden Ehegatten einen angemessenen Anteil an der Erbschaft zuhält. Diese Ordnung hat sich grundsätzlich bewährt. Viele ältere Menschen sehen deshalb keine Notwendigkeit, über ihren Nachlass zu verfügen.
Was ist das Hauptanliegen Ihrer Klienten, wenn es um das Vererben geht?
Die Motive sind ganz unterschiedlich. Im Vordergrund steht meistens, dass der Friede in der Familie erhalten bleibe, die Erben den Nachlass im Einvernehmen teilen. Natürlich ist auch der Wunsch verbreitet, bestimmte Personen zu begünstigen oder gesetzliche Erben aus ganz unterschiedlichen Gründen von der Erbschaft auszuschliessen oder mindestens auf den Pflichtteil zu setzen. In komplizierten Verhältnissen ist es den Erblassern wichtig, Transparenz zu schaffen, dass die Erben durch die Verhältnisse hindurchsehen und den Überblick bewahren.
Können Sie uns etwas über Ihre Klienten berichten, die ein Legat an eine Organisation vermachen?
Viele Klienten verspüren das Bedürfnis, gemeinnützige Institutionen in ihrem Testament zu bedenken. Die Gründe dafür sind natürlich individuell verschieden: Persönliche Erfahrungen, Bekanntschaften zu Personen, welche in einer gemeinnützigen Institution involviert sind, oder auch einfach schlicht Dankbarkeit für ein über weite Strecken erfülltes Leben. Haben die Klienten nahe Verwandte (Nachkommen und/oder Ehegatte), besteht im Hinblick auf die vermachten Beträge begreiflicherweise Zurückhaltung – ohnehin setzt das Pflichtteilsrecht Schranken. Fehlen aber nahe Verwandte, ziehen die Klienten häufig gemeinnützige Institutionen entfernten Angehörigen vor.
Weshalb soll man ein Testament schreiben?
Ein Testament sollte immer dann geschrieben werden, wenn ganz bestimmte Wünsche über die Verteilung des Vermögens oder einzelner Vermögenswerte bestehen. Natürlich ist auch ein Testament zu verfassen, falls Legate ausgesetzt werden sollen. Kurzum, wenn individuelle Wünsche bestehen, müssen diese in einem Testament festgehalten werden. Das Gesetz, welches subsidiär (also für den Fall, dass kein Testament angefertigt wird) eine sinnvolle Ordnung bereithält, falls kein letzter Wille besteht, kann logischerweise auf die individuellen Wünsche keine Rücksicht nehmen.
Sind die Verhältnisse unübersichtlich und besteht die Gefahr, dass die Teilung zwischen den Erben zu Streit führt, sollte zu den möglichen Streitpunkten testiert werden.
Kann ein Testament auch ohne fremde Hilfe verfasst werden?
Ein Testament kann im Prinzip ohne fremde Hilfe verfasst werden. Das Zivilgesetzbuch schreibt aber vor, dass ein privat angefertigtes Testament von Anfang bis zum Ende eigenhändig zu verfassen, zu datieren und zu unterschreiben ist.
An wen kann ich mich wenden, wenn ich mich beim Verfassen eines Testamentes beraten lassen möchte?
Es ist in aller Regel sinnvoll, sich beim Verfassen des Testaments von einem Anwalt, einem Notar oder einem Treuhänder beraten zu lassen. Es sind eindeutige, präzise Anordnungen zu treffen, damit das Testament nicht zu Interpretationsspielräumen und damit zu Streit führt. Vielen potentiellen Erblassern ist zu wenig bewusst, dass sie zu dem Zeitpunkt, an dem das Testament vollstreckt wird, nicht mehr zu ihren Willen befragt werden können.
Worauf ist beim Verfassen des Testaments besonders zu achten?
Zu achten ist vorab auf eine verständliche, klare Sprache. Inhaltlich sollten Widersprüche vermieden werden und es ist darauf zu achten, dass kein zwingendes Recht (Pflichtteile) verletzt wird.
Werden diese Regeln missachtet, verfehlt das Testament seinen Zweck. Potentielle Erblasser sind deshalb gut beraten, sich vor der Niederschrift des Testaments kompetente Unterstützung zu suchen.