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In der Politik mit Islam Alijaj 

Islam Alijaj könnte sich behindern lassen: von seinem Migrationshintergrund, seiner Körper- und Sprechbehinderung, seinem Vornamen. Stattdessen will der Zürcher Gemeinderat hoch hinaus. Sein Ziel: der Nationalrat.

Fokus

Islam Alijaj

Er ist im Zürcher Gemeinderat und setzt sich als Selbstbetroffener für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ein. TIXI Zürich hat mit Islam Alijaj über die Herausforderungen und Chancen gesprochen, wie eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft gelingt.

Etwa 1,8 Millionen Menschen und deren Angehörige leben in der Schweiz mit ganz unterschiedlichen Behinderungen. Warum ist die Inklusion von Menschen mit Behinderungen noch nicht Realität?

Eine einfache Antwort darauf gibt es leider nicht. Das Bild der Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft spielt sicher eine zentrale Rolle. Wir gelten immer noch als hilflose und arme Geschöpfe, die versorgt werden müssen. Dieses Bild müssen wir von Grund auf verändern und ins Positive drehen. Die ganzen Spendenaktionen von Behindertenorganisationen mit bemitleidenswerten Bildern befeuern das vorherrschende negative Bild.

Durch Deinen Namen stehst Du unter zusätzlicher Beobachtung von aussen. Welche Erfahrungen hast Du bisher damit gemacht?

Die Tatsache, dass ich einen Migrationshintergrund habe, hat früher sicherlich mehr eine Rolle gespielt als heute. Seit ich politisch tätig bin, überstrahlt meine Behinderung alle meine anderen Merkmale. Bis heute wurde ich noch nie auf meinen Migrationshintergrund angesprochen. Es ist schon bemerkenswert. Gerade auch, weil ich einen weltbekannten Namen habe, der eher negativ konnotiert ist.

Das Behindertenwesen wird ausschliesslich von Menschen ohne Behinderung geführt. Was sind die Probleme dabei?

In den Vorständen und Geschäftsleitungen der Behindertenorganisationen sitzen meist nur Menschen ohne Behinderungen. Wenn diese Personen mit nicht-behinderten Sozialpolitiker:innen über unsere Interessen sprechen, kommt es zu wenig effizienten Änderungen in unserer Gesellschaft. Ich hatte in den letzten Jahren vergleichsweise wenig Ressourcen, als ich auf nationaler und kantonaler Ebene für unsere Interessen lobbyiert habe. Dennoch konnte ich grundlegende Sachen anstossen, wie zum Beispiel die Motion vom Selbstbestimmungsgesetz des Kantons Zürichs.

Was sind die dringendsten Forderungen, die Du als Vertreter von Menschen mit Behinderung an die Politik und die Gesellschaft stellst?

Wir möchten die Fähigkeiten und Möglichkeiten bekommen, um uns auf Augenhöhe mit unserem Gegenüber in der Gesellschaft einbringen zu können. Dafür müssen wir das Behindertenwesen in verschiedenen Bereichen umbauen und den Geldfluss von Stadt und Kanton hin zu den Institutionen umlenken. Auch im Bereich Bildung müssen wir den Kindern mit und ohne Behinderung den Platz und die Zeit geben, um ihr Potenzial zu entdecken und zu entfalten. Die Politik hat diesen Bereich in den letzten Jahren komplett kaputtgespart, aber  die Anforderungen an die Schulen, die Lehrpersonen und die Schülerschaft erhöhen sich ständig.

Du möchtest 2023 zusammen mit dem von Dir gegründeten Verein Tatkraft eine nationale Initiative vors Schweizer Stimmvolk bringen. Um was geht es in der Initiative?

Damit Menschen mit Behinderungen auf Augenhöhe mithalten und ein selbstbestimmtes Leben führen können, brauchen sie Unterstützung in Form von Assistenzleistungen. Heute beschränkt sich der IV-Assistenzbeitrag mehrheitlich auf die Bereiche Wohnen und Freizeit. Mit der Initiative möchten wir die personelle und technische Assistenz als Grundlage für Inklusion in die Bundesverfassung schreiben und damit die Grundlage dafür schaffen, dass jeder Mensch mit Behinderung seinen tatsächlichen Assistenzbedarf finanziert bekommt. Unabhängig davon, wo er wohnt und arbeitet.

Mit dem Ability Center des Vereins Tatkraft hast Du eine Anlaufstelle geschaffen, die in dieser Form einzigartig ist in der Schweiz. Menschen mit Behinderungen werden dazu ermächtigt, Ideen und Projekte eigenverantwortlich zu entwickeln. Wie ist der Stand des Projektes?

Das Ability Center ist bis Ende dieses Jahres in der Pilotphase. Wir haben verschiedene Formen von Unterstützung ausgetestet, um Menschen mit Behinderungen in der Ideenrealisierung zu ermächtigen. Es ist eine Sache, eine gute Idee zu haben, eine andere, diese Idee dann auch umsetzen zu wollen. Es braucht unter anderem auch ein gewisses Selbstbewusstsein, um an die eigene Idee zu glauben. Das habe ich tatsächlich unterschätzt. Wir klären im Moment ab, wie wir das Ability Center in angepasster Form mittel- und langfristig finanzieren können. Mit dem jetzigen System wird das aber sehr schwierig.

Was möchtest Du Menschen mit Behinderung mit auf den Weg geben, wie sie selbstbestimmter leben und ihr persönliches Potenzial besser entfalten können?

Die eigene Behinderung zu akzeptieren und zu respektieren ist ein langwieriger und schmerzvoller Prozess. Das ist aber die Voraussetzung dafür, dass man sein persönliches Potenzial entfalten kann. Ich lege jedem Menschen mit Behinderungen ans Herz, sich diese Zeit auch zu nehmen und diesen Weg zu beschreiten.

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