von Daniel Stutz
Ein Schutzkonzept mit Schattenseiten
Social distancing ist angesichts der Pandemie das Gebot der Stunde. Bei TIXI halten wir uns daran, obwohl es nicht nur die Arbeit erschwert, sondern unserer Philosophie diametral zuwiderläuft.

«Wenn du auf der Schattenseite der Welt bist, denke daran, die Welt dreht sich!» (Anonym). Dieser Spruch gibt Hoffnung, wenn man sich auf der Schattenseite des Lebens befindet. Für viele unserer Fahrgäste währt die Nacht allerdings lange, manchmal sogar ein Leben lang. Die aufkommenden Tage, und damit die Helligkeit, dauern manchmal nur kurz. Zu kurz, um sie gefühllos vorbei gehen zu lassen.
Wir alle kennen diese Momente: Ein kurzes und ehrliches Lächeln einer Person, das an uns gerichtet ist. Eine Minute der Freude, an die wir uns Stunden oder Tage lang erinnern. Ein liebes Wort oder gar eine Umarmung. Ein Moment der Glückseligkeit, auch in Stunden, in denen es uns schlecht geht. Es ist der Sinn des Lebens, den man sonst nicht sieht, die Freude, die man sonst nicht empfindet. Solche Momente stehen für das Getragen sein in einer menschlichen Beziehung, nach der wir uns sehnen.
Der verborgene Teil
Ein grosser Teil unserer Gefühlswelt liegt im Unterbewusstsein. Freud beschrieb das sehr gut: Die bewusste Ratio einerseits, die wie die Spitze des Eisbergs über dem Wasser liegt und das Unterbewusste andererseits, das den grössten Teil des Eisbergs ausmacht und unter dem Wasser liegt. Dieser verborgene Teil, der unsere Wünsche und Neigungen beheimatet, spricht nicht. Schon gar nicht Deutsch. Für unsere Fahrgäste, die aufgrund ihrer Einschränkung teilweise nicht mehr auf rationaler Ebene kommunizieren können, spielen Emotionen eine wesentlich grössere Rolle. Diese zu erkennen und wahrzunehmen, ist eine grosse Kunst.
Fahrdienst mit Herz
Die Philosophie von TIXI Zürich verfolgt den wesentlichen Punkt, nicht nur als Fahrdienst zu funktionieren, sondern als Fahrdienst mit persönlicher und warmherziger Betreuung als einem integrierten Teil unserer Dienstleistung. Darin sehen unsere Freiwilligen ihre Aufgabe und so wird TIXI wahrgenommen. Nur aufgrund dieser Philosophie dürfen wir auch auf eine stattliche Anzahl Freiwilliger zählen. Als Freiwilliger für TIXI tätig zu sein heisst, der Körper und Geist fängt Feuer. Der Wunsch nach Empathie, zu helfen, zuzuhören und Verständnis zu zeigen sind so bereichernd, dass tatsächlich die Nacht zum Tag werden kann. Eine Situation, die nur Gewinner hervorbringt. Es ist der wahre Kern der Aufgabe von TIXI Zürich. Und nur dieser Kern spricht so viele Menschen an, die uns wohlgesinnt sind. Vom freiwillig Engagierten bis zum materiellen Spender.
Die Kehrseite des Schutzkonzeptes
Die Corona Pandemie zeigt nicht nur im gesundheitlichen Bereich, wie gefährlich sie sein kann. Auch im zwischenmenschlichen Bereich erzeugt sie eine grosse Problematik. Da wir eine enorm grosse Verantwortung gegenüber unseren Fahrgästen und Freiwilligen haben, sind wir bestrebt, ein durchdachtes und umsetzbares Schutzkonzept zu entwickeln. Stand Dezember 2020 gilt bereits die siebte, überarbeitete Version.
In der Zwischenzeit sieht das Konzept vor, dass unsere FahrerInnen im Umgang mit unseren Fahrgästen eine Gesichtsmaske tragen. Für die FahrerInnen stehen auch Hand- und Flächendesinfektionssprays zur Verfügung. Und als eine weitere einschneidende Massnahme sind seit September 2020 in allen TIXI Fahrzeugen Schutzscheiben eingebaut. Das impliziert, dass der Fahrgast, sofern er nicht im Rollstuhl sitzt, auf den hinteren Sitzen des Fahrzeuges sitzen muss.
Und genau diese Massnahmen entpuppen sich als Schattenseite für unseren Fahrdienst. Wie anfänglich erwähnt, ist der Austausch zwischen FahrerIn und Fahrgast essenziell. Jetzt begegnen sich FahrerIn und Fahrgast mit Schutzmasken, was für viele Menschen ein grosses Problem bedeutet. Zum Beispiel für gehörlose Menschen, die auf die Lippenbewegung des Gegenübers angewiesen sind, um ihn / sie zu verstehen. Aber auch sonst geht vieles verloren, was über die Mimik geschieht. Sei es ein freundliches Lächeln oder die Ausdruckskraft im Gesicht des Gegenübers.
Zudem sitzt der Fahrgast nun hinter der Schutzscheibe auf den hinteren Sitzen. Dadurch wird ein Gespräch erschwert. Und für denjenigen, der hinten im Rollstuhl sitzt, ist ein Austausch absolut unmöglich. Das geht sogar so weit, dass wir gerade den Einsatz von Gegensprechanlagen testen und in naher Zukunft einen Notfallknopf in die Fahrzeuge einbauen müssen, damit der Fahrgast bei Problemen den/die FahrerIn benachrichtigen kann. Die aus dem Schutzkonzept resultierenden Massnahmen unterbinden sozusagen den zwischenmenschlichen Faktor, der einen so wichtigen Teil bei TIXI Zürich ausmacht. Das bedauern wir sehr.
Wir hoffen inständig, dass der Spuk mit dem Sars-CoV-2 Virus bald vorbei ist. Um ein wenig Gegensteuer zu geben, haben wir für die Feiertage eine spezielle Weihnachtsaktion ins Leben gerufen. Unter anderem bieten wir Rundfahrten zum Lichterglanz in der Stadt oder einen Ausflug zum Bauschänzli, wo ein Glühwein und feini Marroni genossen werden können. Mit diesen Fahrten zu besonders günstigen Tarifen möchten wir trotz Gesichtsmaske und sozialer Distanz etwas Glanz in die Augen und Wärme in die Herzen unserer Fahrgäste sowie Fahrerinnen und Fahrer bringen. Denn ihr Strahlen und ihre Zufriedenheit sind der innere Antrieb unseres Vereins.
Text: Daniel Stutz, Erich Wyss, Ann Walter, Simone Okoye