von Simone Okoye
Fahrt in eine unverzichtbare Welt
Wenn das TIXI vorfährt und Cesare Ferronato zum Atelier in Zürich-Höngg bringt, dann fährt der 93-jährige Bildhauer in seine Welt.
Das Leben ausserhalb seiner Kunst ist für Cesare Ferronato beschwerlich geworden. Die seit dem Kindesalter bestehende Poliomyelitis, auch Kinderlähmung genannt, prägte sich im Alter stärker aus und zwingt ihn nun in den Rollstuhl. «Ich habe gekämpft um jeden Schritt», erzählt er.


Trotz seiner Gehbehinderung hat Ferronato ein Leben lang bildnerisch gearbeitet. Die Seele wird nicht müde, auch wenn der Körper geschwächt ist.

Zurzeit entsteht sein neustes Werk, «Der sterbende Polospieler, der vom Pferd fällt». Das Material ist Bienenwachs, Steine hauen kann er nicht mehr.

Es gibt keinen Kompromiss, der 93-jährige Ferronato verwelkt, wenn er nicht arbeiten kann. Darum ist er heute noch regelmässig im Atelier.

Sein Sohn Marco, ebenfalls Bildhauer, assistiert ihm jeweils am Freitag, wenn er mit dem TIXI ins Atelier gebracht wird

Seine Frau Jacqueline, eine begnadete Keramikerin und Kunstschaffende, Mutter seiner drei Kinder und Ehefrau über ein halbes Jahrhundert, begleitet ihn im Alltag.

Ferronato lässt sich in keine Form einfügen. Dies bestätigt auch die Vielfalt an Materialien, Skulpturen, Gezeichnetem und Werken, die im Atelier ausgestellt sind.

Seine Arbeiten erschaffen etwas Neues, aus beseeltem Stein wird eine neue Seele.

Das Atelier in Höngg besitzt er seit über 50 Jahren, es war immer wieder ein Ort der Begegnung für Kunstschaffende.
Autodidakt wegen Behinderung
Ferronato kämpft bereits als dreizehnmonatiges Kleinkind mit den Folgen seiner Krankheit. Der kleine Cesare verbringt den grössten Teil seiner Kindheit in Spitälern und Heimen. Sein Körper wird von Kopf bis Fuss in Gips gelegt und mit Gewichten gestreckt. Weil er mit seiner Behinderung keine Lehrstelle findet, bildet er sich autodidaktisch weiter. Ab 1958 unterrichtet er eigene Kurse an diversen Schulen.



Im Auftrag der Stadt Zürich schuf Ferronato 1958 die fast drei Meter grosse Skulptur «Werkjahr».
Menschen, die durch eine Krankheit oder einen Unfall in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, haben die gleichen Rechte auf Teilhabe am sozialen Leben wie alle anderen. Wenn TIXI sie an den Ort ihres Lebensmittelpunktes fahren darf, wie bei Cesare Ferronato ins Atelier, dann ist der soziale Auftrag erfüllt.